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Ein angenehm mäßiges Jahr

Herbst ist Erntezeit, und aus dieser Sicht auf das Jahr zu blicken, ist auf jeden Fall lohnenswert. Wenn die Ernte denn gut gelaufen ist. Aber dazu später.

Lisa hat im August vom Acker aus auf das Jahr geblickt. Sie macht, wie für Lehrlinge üblich, vor allem Hand- und Fußarbeit im Betrieb. Ich dagegen hüpfe manchmal wie ein wildgewordener Spielstein scheinbar chaotisch über das Spielbrett Auenhof: von der Ernte in den Lieferwagen zur Kita an den Rechner in die Keramikwerkstatt an den Herd ans Telefon ins Gewächshaus in die Wochenbesprechung und dreimal täglich zurück und dabei nicht über Los.

Mitunter versuche ich, alle andere Spielfiguren an der kurzen oder langen Leine zu führen, manchmal halte ich das für eine Illusion und nicht allzu selten fühle ich mich selbst an der Leine herumgeführt. Dennoch – während Jochen bei uns der Oberackermann ist, und Lisa die gute Seele an der Hacke und auf Knien, mache ich meinen Job zwischen allen Stühlen, und ich liebe (ja, gut, und hasse) es, denn er ist, vor allem, gestaltend und er ist sozial. Das ist, was ich an SoLawi besonders mag.Wunderbar fing das Jahr an, mit einem Hofverkauf bei der Kreuterey in Wolsier, unserem Nachbarort, wo ich im Frühjahr das erste Mal so richtig meine Keramik anbieten konnte. Es war ein voller Erfolg – im Mai hungerte alles nach Luft und Märkten und Kontakt und schönen Dingen und da konnte ich meinen Teil beisteuern. Fast hätte ich nichts mehr für mein neues Verkaufsschränkchen vor dem Haus gehabt. Ehrlich, ich war stolz wie Bolle. Man sprach noch Tage später über das breite Grinsen in meinem Gesicht.

 

Naja, aber es war Mai, und so stolperten wir wieder einmal voll in die Saison, und doch besser als sonst: wir produzieren zwar dieses Jahr einen großen Teil der Gemüsekulturen für das Gemüse Syndikat, aber nur einen kleineren Teil der Lagerkulturen. Und das bringt eine Wahnsinnserleichterung im Mai, denn das ist die Zeit, wo nicht nur alles, also das Grünzeug, sprießt, es ist auch die Zeit, wo die gleichzeitig alle frostempfindlichen Kulturen in den Startlöchern stehen um gepflanzt zu werden und die Lagerkulturen wie Möhre und Rote Bete gesät und gepflegt werden müssen. Ein paar Beete weniger händisch durchjäten, das macht schon einen Unterschied, vor allem was unsereiner Stresslevel angeht.
Ich hatte auch noch eine andere schöne Spielwiese, und zwar den Garten am Kreuzbergweg, wo wir letztes Jahr schon ein paar Obstbäume gepflanzt hatten, und Jochen mit Lisa und einem Nachbarn im Frühjahr den neuen Folientunnel aufgebaut hatte. Am Kreuzberg ist der neue Standort für die Tomaten und Paprika, die nach dem Tomatenvirus des letzten Jahres (eine Odyssee!) von Amts wegen aus dem Folientunnel am Acker verbannt worden waren. Der Standort am Kreuzbergweg hat seinen eigenen Charme. Erstens ist er schön, zweitens hatte ich ihn den Sommer über fast für mich, und drittens kommen dort gern mal Nachbarn lang, es ergibt sich also der eine oder andere Plausch über den Gartenzaun. Das gefällt mir. Die Tomaten sind inzwischen wintermäßig geräumt und haben Feldsalat und Postelein Platz gemacht. Wie das halt so ist, der Jahreslauf.

Die Saison der Mitmachtage hatte auch ebendort, am Kreuzbergweg, begonnen, mit einer schönen und wirklich erfolgreichen Antiqueckenaktion im neuen Tunnel, ihren wirklichen Höhepunkt fand sie allerdings im Herbst mit Kürbissen, Kartoffeln, Sauerkraut, Äpfeln usw. Im Grunde sind die Ernteaktionen die besten Gelegenheiten, gemeinschaftliche Großaktionen umzusetzen. Man braucht kein Knowhow und das Ergebnis ist trotzdem für alle total befriedigend. Und für uns fast unumgänglich, denn ohne die schiere Anzahl an helfenden Händen, die das Einsammeln, Sortieren, Einsacken und Stapeln durchführen, wären unsere Lager jetzt nicht voll für den Winter. Und irgendwas braucht man ja auch zwischen den Zähnen, wenn alles stillsteht. Und wie Frederick, der Mäusedichter, zehren wir auch von den Farben und Worten, von den Sonnenstrahlen, Bildern und Begegnungen.

Seit Mai diesen Jahres habe ich übrigens das erste Mal alle Liefertouren übernommen. Das wollte ich eigentlich auch ganz gern so machen: dadurch komme ich nicht nur einmal pro Woche hier raus, ich bin auch regelmäßig vor Ort in den Depots. Und ich hab was ausprobiert: die Sommerstammtische. An jedem Depot oder Stadtteil fand jeweils ein Treffen für mich und unsere Ernteteiler statt, und sie waren so bunt wie die Depots selbst. Der Kaffeetisch stand hier auf dem Bürgersteig oder da an der Panke, wir hockten auf dem Tempelhofer Feld und hielten uns im September an warmen Teetassen fest: die Treffen waren bereichernd und spannend, gaben Gelegenheit zu Frage und Antwort, haben mich für die Depotgruppen sensibilisiert und ich hatte an jedem einzelnen große Freude.

Der engere Kontakt zu den Depots trägt auch weitere Früchte: durch unser jüngstes Depot, das Baumhaus, sind wir Projektpartner von FoodSHIFT geworden, einem europaweiten Projekt zur Ernährungswende. Ich hoffe, das Gemüse Syndikat in diesem Rahmen weiter zu entwickeln und in die Zukunft zu tragen, vielleicht sogar mit weiteren Partnern? Aber erstmal ist Winter, wir machen alles einen Zahn langsamer, blicken ein bisschen zurück, auf ein lebendiges aber für unsere Verhältnisse mal nicht ganz so aufregendes Jahr, und schauen ein bisschen voran, treffen uns mit der Gemüse-Syndikat-Stammcrew und kucken, was das nächste Jahr so bringen soll. Ich hoffe, wir bleiben im Tritt und müssen auch da nicht zu viel neu erfinden. Eher weiter so. Ist doch gut.

Grüne Wege

Wir merken es alle am Wetter, der Herbst naht und die Gartensaison geht so langsam in eine andere Gangart über, vom pflanzen und hacken zum Ernten. Tja, das Wetter. Darüber hat auf jeden Fall jede* GärtnerIn garantiert und immer was zu sagen. Für mich ist es erst (schon?) die vierte Saison und ich erlebe zum ersten Mal einen eher kühlen und nassen Sommer. Die Jahre 2018-2020 waren ja ganz extreme Dürre- und Hitzesommer. Abgesehen von der Mückenplage hier im kanalreichen Havelland bin ich dankbar für einen nicht so heißen Sommer gewesen. Wir merken es zwar bei der Ernte der Auberginen und anderer wärmeliebender Pflanzen (Zucchini, Tomaten, Paprika), die dieses Jahr einfach nicht das liefern, was ich aus den vergangenen Jahren gewöhnt bin, aber das Hacken geht einem bei Mitte Zwanzig Grad doch leichter von der Hand als bei Mitte 30.

Wir haben dieses Jahr viel Neues ausprobiert, rumexperimentiert, und vieles davon ist auch auf meinem Mist gewachsen. Ich hab mich zum Beispiel sehr für begrünte Wege begeistert – man nennt sie auch „belebte Wege“ oder „living pathways“, was ich sehr schön finde – und so haben wir jetzt an einigen Stellen auf dem Acker eine spezielle Saatgutmischung mit Klee und niedrig wachsenden Gräsern eingesät. Optisch für mich eine totale Bereicherung und hoffentlich auch für Humusaufbau und als Lebensraum für Nützlinge ein Gewinn, bringt es trotzdem einige Herausforderungen mit. Bei dem eher feuchten und kühlen Klima dieses Jahr wächst das ganze zum Beispiel doch ganz schön schnell, ich war also viel mit dem Freischneider unterwegs. Im dümmsten Fall bietet es auch noch ein Habitat für Schnecken, die natürlich bei dem Wetter auch mehr vertreten sind (Ich sag's doch, Wetter, Wetter, Wetter,...). Einiges gelernt haben wir dabei auf jeden Fall. Unter anderem, wo macht eine Wegbegrünung Sinn (Auberginen, Wirsing, Rosenkohl, Möhren) und wo macht sie eher Stress (Zwiebeln, Salate). Wobei eins meiner persönlichen Highlights des Jahres bisher eine Jäte-Aktion in den Zwiebeln war, wo ich statt auf glühend heißem Sand auf kühlem feuchtem Gras knien konnte. Alleine dafür hat es sich für mich gelohnt da gefühlt 6 Mal mit dem Freischneider lang zu gehen.

Wenn die Saison im Winter so richtig ausklingt endet für mich auch meine vierjährige Ausbildung zur biodynamischen Gemüsegärtnerin. Ich verbringe also gerade hier am Auenhof mein letztes Lehrjahr. Da ich in mein erstes Lehrjahr 2018 schon hier verbracht habe, hat das eine gewisse Stimmigkeit. Durch dieses letzte Lehrjahr war und bin ich teilweise schon gefühlt mit einem Bein im nächsten Jahr. Ich werde 2022 erst mal eine Pause vom Gemüsegärtnern machen und stattdessen möglichst viel Zeit mit Obstbaumschnitt verbringen. Auf diesem Weg vielleicht noch mal ein riesiges Dankeschön an alle, die mit ihren Spenden mitgeholfen haben mir eine Ausbildung zur Baumwartin mitzufinanzieren. Die im letzten Jahr gepflanzten Obstbäume des Auenhofs werden diesen Winter auf jeden Fall noch von dieser Ausbildung profitieren. Und ich sowieso :)

 

...es gibt viel zu berichten, aber zu viel anderes zu tun - neue Nachrichten folgen hoffentlich bald!